DIE ABGUSS-SAMMLUNG. Photographien von Rainer Boehme

11. Mai 2002 - 1. Dezember 2002

Die Ausstellung der Photographien von Rainer Böhme im Museanum, Photographische Sammlung in Dresden-Loschwitz bezieht gleich mehrere Traditionen aufeinander und exponiert diese unter einem bedeutungsvollen Blickwinkel.
Die in den ca. siebzig sepiafarbenen Photographien gezeigte Dresdener Samm-lung der Gipsabgüsse im Albertinum, von dem Nachlass Anton Raffael Mengs 1784 aus Rom nach Dresden erworben, maßgeblich erweitert durch Georg Treu,

ist die wohl weltgrößte Gipssammlung mit ihren etwa 4500 Stücken, zu deren Höhepunkten die fast vollständige Dokumentation des Parthenon auf der Athener Akropolis, die Skulpturen des Zeustempels von Olympia und der komplette Fries des Siphnierschatzhauses in Delphi zählen. Die im Krieg teilweise in Mitleidenschaft gezogene Sammlung befindet sich aus Platzgründen nun im Keller des ehemaligen Zeughauses und ist chaotisch abgestellt, zum Teil so dicht, dass kein Durchkommen möglich ist und bisherige Versuche der Aufarbeitung immer unvollendet blieben. Böhme macht unter Nutzung historischer Kameras und des vorhandenen Lichts die geheimen Beziehungen und Affären der Skulpturen zueinander sichtbar. Bei seinem vierzehntägigen Aufenthalt in den meterstarken Tonnengewölben, ist er in das Dickicht gedrungen, zum Teil mit Leitern Wälle aus gipsernen Gliedmaßen überwindend. Die dynamisch komponierten Aufnahmen von den ergänzten Fragmenten der olympischen Giebelfiguren erinnern an Star-Wars Inszenierungen oder machen die Vorstellungen von archaischen Schlachtengetümmeln anschaulich. Das Schöpferische im Chaos des historischen Erbes entdeckt und in Situation und Struktur einer Transformation ins Bildhafte unterzogen zu haben, ist das Verdienst des jungen klassisch-neuakademisch geschulten Künstlers, der damit auch inhaltlich, nicht nur technisch an das Werk von Hermann Krone anknüpft. Krone hatte ab 1871 eine Erfassung der Skulpturen- und Abgusssammlung angestrebt, die auch nach sechsundzwanzig Jahren nicht abgeschlossen war.

Böhme widerspricht dem Fortschrittsgedanken in der Kunst und fand dies bestätigt in dem Eindruck der aus der musealen Ordnung geratenen Sammlung, scheint hier durch das Nebeneinander zeitlos großer Kunstwerke durch alle Epochen ein Maßstab von beseelter Meisterschaft auf, der dem jeweiligen Stil einen untergeordneten Rang zuweist. Vielleicht ein Ansatz, der als Ausweg aus der durch den ewigen Zwang zum Neuen erzeugten Krise des Avantgardismus dienen kann, ohne sich auf ein neoklassizistisches Territorium locken zu lassen. Während Böhme 1996 bis 99 in Sankt Petersburg an der Neuen Akademie der Schönen Künste bei Timur Novikov studierte, hat er sich mit dem russischen Neoakademismus auseinandergesetzt und mit seinen Professoren Oleg Maslov und Victor Kusnetsov Photoinszenierungen geschaffen, die unter anderem in der Ausstellung "Die griechische Klassik" im Martin-Gropius-Bau in Berlin gezeigt wurden. Außer seinen Debüt-Ausstellungen 1998 im Museum der Neuen Akademie in Sankt Petersburg und der Galerie Navicula Artis, Teilnahme an der Photobiennale in Moskau und Leihgaben an das Bornholmer Kunstmuseum, waren seine Werke bisher in den Galerien Amfilada in Stettin 1999 und Krauss Erben in Dresden 2002 zu sehen.

Museanum